Das Leben im Tao

6 Jan 2020

Das Leben im Tao ist in dem Augenblick vollkommen verwirklicht, wenn du den Zustand schaffst, der einmal bestand, bevor dein kindlicher Lernprozess begann und du unter diversen Einflüssen und Strömungen allmählich das Bild der Wirklichkeit gewonnen hast, das heute noch dein Dasein bestimmt. Es klingt grotesk und fast unannehmbar: Aber nichts, was uns über uns und die Welt ringsherum beigebracht worden ist, hat Anspruch auf absolute Richtigkeit. Wir führen ein Leben in der Relativität der Maßstäbe, die uns unser Denken setzt. Und dieses bestimmt zugleich unsere Grenzen. Diese, gleichfalls selbst errichtet, begleiten uns wie ein unsichtbarer Käfig, der uns einschließt, aber mobil ist, so dass wir dennoch das trügerische Gefühl von geistiger Freiheit besitzen.

Beobachten ist die Grundlage für Aufmerksamkeit. Beobachten ist kein intellektueller Vorgang. Gedanken verfälschen die Aufmerksamkeit. Beobachten ist einfach. Was es kompliziert macht, ist dass wir die Fähigkeit verloren haben, etwas nur anzusehen, ohne dass wir unsere Gedanken dazwischenschalten. Auch Gedanken beobachten, ohne Stellungnahme, ohne beurteilen, ohne werten, ohne Gedanken nachzuhängen. Beobachten, Aufmerksamkeit und das Vertrauen in unsere Intuition sind die Grundlagen für ein Leben im Tao. Im Tao ist alles im Fluss, ist eine andauernde Veränderung, ist das Aufhören aller Gegensätze, ist ein ständiger Neubeginn. Alles fließt.

Physiker der Kernphysik erkannten bei subatomaren Versuchen, dass es Materie in der von uns wahrgenommenen Form überhaupt nicht gibt. Alles, was Materie ausmachen könnte, ist ununterbrochen in Bewegung, einbezogen in einen Prozess von ungeheuer schnellem Verfall und Neuerstehen. Die kleinsten Energiepartikel der Materie lassen sich nicht als Bestandteil eines bestimmten Objekts oder Gegenstands fixieren. Das gesamte Universum ist eine in sich geschlossene, gewaltige Einheit und nicht eine Ansammlung zahlloser Einzelteile. Kernphysiker bestätigen damit dieses Wissen der alten Weisen: [...] Die kleinsten Elemente unserer Materie lassen sich keinem Objekt zuordnen, sie weisen vielmehr auf eine komplexe Wechselwirkung aller Teilchen miteinander innerhalb des Universums hin. [...] Welches zugleich mit dem Namen Tao bedacht ist. Das heißt, wir leben im Tao. Wir müssen es nur zulassen – bzw. wieder lernen, es zuzulassen.